Wie ihr ja wisst, versuche ich unsere Wohnung irgendwie minimalistischer zu gestalten, weil ich mich schnell von zu viel Sachen erschlagen fühle und es einfach zu viel Energie bindet ungenutztes Zeug um sich zu haben.
Klappt im Bad super, in der Küche und im Kleiderschrank auch – wer jedoch unseren Wohnzimmerschrank öffnet, den trifft vermutlich erstmal der Schlag.
Hier zeigt sich, dass mein Mann und ich eine gewisse Sammelleidenschaft für DVDs, Videospiele und „historische“ Spielkonsolen hegen (und das ist ehrlich gesagt nur ein kleiner Ausschnitt, die meisten Konsolen stehen in meinem Zimmer…).
Diese Tatsache stürzt mich regelmäßig in tiefe Gewissenskonflikte – ich weiß, dass ich in diesem Leben vermutlich nicht mehr alle ca. 700 Filme nochmal ansehen werde und ich schalte auch die meisten alten Konsolen nicht mehr wirklich oft an – ist das also unnötiger Ballast, der mich an die Vergangenheit bindet und den Freiraum für Entwicklung blockiert?
Ich weiß es nicht.
Die meisten Menschen, die „ernsthaft“ minimalistisch leben, haben gar keinen Fernseher und berichten stolz wie wieviel Freiheit sie dadurch gewinnen und wie viel Zeit man spart.
Ich habe mich lange Zeit regelrecht dafür geschämt, dass ich so gerne fernsehe (nicht das lineare Fernsehen, sondern hauptsächlich DVDs) und dachte das wäre superschlecht für mich, weil ich in der Zeit doch lieber im Wald joggen sollte (ok, guter Witz – also das mit dem Joggen, im Wald bin ich schon gerne).
Irgendwie schien es mir auch nicht normal sich in Serien und Fantasiewelten (naja, Star Trek bewahrheitet sich gerade so langsam) zu flüchten und ich wusste dank „wertvoller“ Hinweise meiner Grundschullehrerin auch, dass Tagträumen böse böse böse ist (ähm, ich hatte super Noten…naja egal).
Inzwischen sehe ich das anders.
Ich habe es jetzt als Ressource entdeckt, dass ich so voll und ganz in Filme und Serien eintauchen kann – es tut mir gut, basta.
Dann gab es Überlegungen, dass man die DVDs wenigstens platzsparender und übersichtlicher in Sammelordnern lagern könnte und ich hatte die Dinger ehrlich gesagt schon in den Warenkorb gelegt – aber ICH KANN DAS EINFACH NICHT….
Ich bringe es nicht übers Herz auch nur eine DVD aus dem Regal zu nehmen, sie herzlos ihrer schützenden Hülle zu entreißen, um sie dann mit hunderten anderen in einen engen Sammelordner zu zwingen, wo sie traurig darauf hofft jemals wieder das Tageslicht zu erblicken.
Ebenso kann ich doch nicht eine Spielkonsole auf ebay verkaufen als ob das einfach nur so eine Sache wäre, also nur ein Ding ohne Seele – ich meine die haben zum Teil ja noch die 80er erlebt.

Ihr seht, ich habe es wirklich ernsthaft versucht, aber unser Wohnzimmerschrank ist schon maximal minimalistisch, mehr (naja weniger) geht nicht, auf keinen Fall, keine Chance.
Aber ich leihe jetzt ab und zu Filme aus der Bücherei aus – ich bin traurig, wenn sie wieder gehen müssen…sie hätten so gut ins Regal gepasst.
hej, liebe sarah!
mich trifft gar nicht der schlag beim anblick deines wohnzimmerschranks.
das sieht so schön bunt aus, wie ein zauberschrank aus der kindheit mit den tollsten schätzen darin, die die phantasie anregen.
das wäre wirklich schade, sie entweder in funktionale ordner oder ganz wegzupacken.
minimalismus ist das eine, dinge für die seele das andere.
bei minimalismus geht es für mich um reduktion des konsums und von sinnlosen, seelenlosen gegenständen, die den raum einengen.
die meisten menschen scheinen dinge nur anzuhäufen um des reinen besitzes willen, weil werbung oder ego sie dazu treiben.
bei mir sind es die bücher, die mich genauso bereichern, wie dich deine dvds.
Liebe biene,
schön von dir zu lesen 🙂
Das tut gerade meinem „schlechten Minimalismus-Gewissen“ sehr gut, was du schreibst. Ist manchmal gar nicht so einfach die Balance hinzukriegen zwischen Dingen, die wirklich nützlich sind (den Ausdruck „Dinge für die Seele“ finde ich super) und Dingen, die einem eigentlich gar nicht gut tun.
Ich habe immer noch keine ganz genaue Definition, was Minimalismus für mich bedeutet – dein Verständnis davon finde ich sehr einleuchtend, besonders den Verzicht auf sinnlosen Konsum (weil uns von der Werbung eingeredet wurde, dass wir nur glücklich sein können, wenn wir xy kaufen…).
Danke für deine inspirierenden Gedanken – hättest du denn vielleicht mal Lust einen Gastartikel zu schreiben?
LG Sarah
hej,
da bin ich überfragt…?!
was wäre ein gastartikel?
ich freue mich, daß ich dir ein bißchen anregung geben konnte, würde das auch gerne weiterhin tun, wenn ich es in zukunft zufällig hinbekomme, ob ich selber etwas beitragen könnte, kann ich mir gar nicht vorstellen, zudem meine technischen und digitalen kenntnisse sehr ausbaufähig wären, ich bin sozusagen ein analoger ureinwohner und computer und ihresgleichen sind meine freßfeinde ;O) …
herzliche grüße zurück!
p.s.: und das mit dem schlechten gewissen ist schade, du sagst es eigentlich so schön mit “ es tut mir nunmal gut und basta „, andererseits stellst du dir irgendwelche musterminimalisten vor, die alles perfekt minimalisieren, nur ihr dickes ego wächst bzw. das kleine ego duckt sich hinter diesem schlagwort, daß man ja auch als hohlen schickimickiartikel vor sich hertragen kann, wie eigentlich alles.
das ist natürlich sehr geschickt, weil man es auf den ersten blick gar nicht so schnell sieht.
ich war mal in einem buddhistischen verein für eine weile regelmäßig dabei, irgendwann habe ich es nicht mehr ausgehalten.
ich hatte das gefühl, daß die mitglieder ihre spirituelle lebensweise nutzten, um nach außen hin etwas darzustellen, wie ein statussymbol.
auch gab es dort anscheinend hierarchien.
einmal habe ich den raum in der pause vor dem meditationsanleiter verlassen.
plötzlich spürte ich hinter mir seinen tadelnden blick, drehte mich um und er drängelte sich an mir vorbei nach draußen.
ich habe das gefühl, menschen, die viel nachdenken und auch sich selbst reflektieren, wo sie nur können, neigen dazu, sich von denen blenden und entmutigen zu lassen, die das nicht wollen oder können.
das sagt mir, daß du viel eher auf der richtigen spur bist, wenn du zweifelst!
Hi biene,
ich empfinde deine Kommentare immer als sehr bereichernd, deshalb die Idee, ob du Lust hättest mal eine Seite zu einem Thema zu schreiben, das dir liegt oder wo du gerne Erfahrungen berichten magst.
Das wäre technisch gar nicht aufwändig, du könntest mir einfach einen Text per Mail schicken und ich baue ihn dann in die Webseit ein.
Aber ich wollte dich damit jetzt nicht überrumpeln – falls dir mal danach ist, kannst du gerne einfach auf mich zukommen 🙂
Bei der Sache mit dem schlechten Gewissen triffst du bei mir tatsächlich einen „Nerv“ – da kämpfen in mir selber verschiedene Anteile miteinander (ich habe eine pDIS, zum Verständnis…).
Einer meint es muss so sein wie du das beschrieben hast….alles perfekt minimalistisch und sicherlich auch fürs Ego, der Teil will am liebsten alles von den anderen Anteilen sofort entsorgen.
Andere mögen die Gemütlichkeit, die von einer lebendigen Wohnung ausgeht, in der halt mal Dinge rumliegen und Schränke vollgestopft sind.
Ist irgendwie ein ständiger Balance-Akt 😉
Zu deiner Erfahrung im buddhistischen Verein – ich habe den Eindruck, dass es in Gemeinschaften irgendwie doch immer (mehr oder weniger offen) um Macht und Darstellung geht. Wahrscheinlich ist das irgendwie menschlich.
Dein letzter Satz findet sehr viel Anklang in mir, danke dafür.
LG Sarah
o.k., das klingt machbar.
danke für den netten vorschlag, ich denke darüber nach!
ich vergesse es nicht, habe nur leider sehr oft probleme mit der konzentration…
liebe grüße und bis bald!
liebe sarah!
danke für die erklärung zum thema „verschiedene anteile“. ich hatte gleich den eindruck, daß diese tollen bunten farben deines schrankes kindanteile total ansprechen und daß die/der anteil(e), der minimalismus befürwortet, eher keinen sinn für soetwas haben kann.
dieser anteil wirkt nach deinen beschreibungen auf mich spontan eher autistisch, was ja auch zu deiner hochbegabung passen könnte, oder bin ich da auf dem total falschen dampfer?
was mich betrifft, gibt es auch einen hochbegabten anteil, der autistische züge hat, was wie ich finde auch gut erklärt, wieso ich als alltagsanteil eher das gefühl habe, ziemlich beschränkt zu sein. wenn es darauf ankommt, daß wissen im praktischen dringend erforderlich ist oder die außendarstellung von vorhandenem wissen, wie zum beispiel in prüfungen oder streitsituationen, die mich an die tatsachenverdrehungen in meiner kindheit erinnern, dann tauchen plötzlich die notwendigen fakten irgendwoher auf.
dazu muß aber ein gewisses streßlevel vorhanden sein.
dir oder diesem anteil wollte ich aber auf keinen fall unterstellen, daß du/er deinen/seinen minimalismus für dein/sein ego betreib(s)t!
du hattest ja genau erklärt, daß dich die vielen notwendigen entscheidungen bzgl. großer auswahl an besitzstücken einfach streßt.
ich meinte andere, die das eher nur wie die neuste mode einige zeit feiern und nach außen darstellen, wie perfekt sie das doch umsetzen können.
davon läßt man sich leicht entmutigen und blenden, wenn man nicht soviel selbstbewußtsein hat.
herzliche grüße!
Liebe biene,
danke dir, dass du deinen Gedanken dazu nochmal ausgeführt hast – ich hatte das mit dem „Ego“ auch so verstanden wie du jetzt geschrieben hast, alles gut 🙂
Und ein bisschen Selbstdarstellung ist glaube ich schon auch dabei, aber da schreiten die anderen dann schon ein, wenn das zu viel wird.
Das mit den autistischen Zügen ist ein interessanter Aspekt. Ich sehe tatsächlich auch viele Überschneidungen zwischen Menschen aus dem Autismusspektrum, Hochgebgabten, Hochsensiblen und Menschen mit Trauma. Ich habe tatsächlich selber auch mal die Diagnose Asperger Syndrom bekommen, aber ich würde auch sagen, dass das nur einen Anteil von mir betrifft. Ein Hauptproblem von Autisten ist (laut Lehrbuch), dass sie die Signale anderer Menschen nicht gut deuten können und z.B. nicht zwischen den Zeilen lesen können. Es gibt aber inzwischen auch andere Theorien, die davon ausgehen, dass Autisten eher zu empathisch sind und dann mit der Schwemme an Eindrücken nicht klarkommen.
Wie auch immer – ich denke das ist bei mir ähnlich wie bei dir, der Anteil ist irgendwie eine Mischung aus autistischen Zügen und Hochbegabung – ist manchmal schwierig mit ihm umzugehen.
LG Sarah
liebe sarah!
das hast du mal wieder super zusammengefaßt! genau das wollte ich sagen :O) .
dankeschön!
ich finde es bewundernswert, wieviel verständnis du ständig für andere aufbringst.
natürlich kommst du so niemals auf eine autismusdiagnose, so sehr du es in anderen situationen selber empfindest, daß du eine bekommen müßtest.
ich war erleichtert, als mir diese erklärung für dieses verwirrende phänomen einfiel.
wie das zusammenhängt, ist unklar, es gibt aber wohl zunehmend wissenschaftliches interesse dafür:
sind menschen mit autismus einfach anfälliger für traumatisierung oder ist autismus doch eine traumafolge?
die youtubevideos der ctad clinic gehen teilweise sehr gut darauf ein.
nochmal dazu, daß diese anteile für gefühlsduselei und ungenauigkeiten so gar kein verständnis aufbringen:
das tun sie ohne absicht, sie sind einfach sachlich und erkennen die emotionale seite einfach nicht so leicht, sie wollen damit nicht abwerten oder verletzen.
und sie brauchen einfach ordnung, umd halbwegs klarzukommen.
liebste grüße!
Hallo Sarah,
bin durch das Thema Hochbegabung auf deinem Blog im Internet gestoßen. Was du beschreibst, auch mit dem Trauma etc. das kommt mir irgendwie bekannt vor!
Gibt es eine Möglichkeit, dich direkt per email oder so zu kontaktieren? Ich wollte etwas fragen.
Freundliche Grüße
Alexander
Hallo Alexander,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Du kannst mir gerne eine Mail schreiben mit deiner Frage an info(at)hummeln-im-hirn.de
Viele Grüße
Sarah
Hey Sarah! Schöner Artikel! Vielleicht sollten wir uns mal unterhalten… vor dem gleichen Dilemma stand ich auch und das war mit einer der Hauptgründe mein Projekt Nerdimalismus zu starten… ich glaube da könnten wir uns gut ergänzen…
Hallo Marc,
ich war gerade auf deinem Blog zu Besuch und habe jetzt ein gewisses Grinsen im Gesicht 😉
Da haben wir ja echt einen ähnlichen Weg hinter bzw. vor uns – es ist spannend zu sehen wie du das „Dilemma“ für dich gelöst hast.
Lass uns gerne in Kontakt bleiben, du erreichst mich am besten unter info@hummeln-im-hirn.de
Liebe Grüße
Sarah