Kontakt abbrechen ?!

Ich habe vor kurzem eine Sendung gesehen, in der Eltern erzählt haben, deren Kinder den Kontakt zu ihnen abgebrochen haben. Der Tenor der Sendung war, dass Eltern extrem darunter leiden und gar nicht verstehen wie so etwas passieren kann und sich das nur so erklären können, dass das Kind sich vor den Eltern schämt, weil es vielleicht so viele Probleme hat.

Was nicht diskutiert wurde, war die Möglichkeite, dass Kinder sich unter Umständen durch einen Kontaktabbruch vor ihren Eltern schützen müssen und nicht alle Eltern von Natur aus das Beste für ihr Kind sind.

Ich habe viele Jahre lang immer wieder von Therapeut*innen gehört, dass es für mich besser wäre keinen Kontakt zu meinen Eltern zu haben und ich wusste, dass sie recht haben.
Dennoch hat es lange gedauert bis ich diese Entscheidung für mich treffen und durchsetzen konnte.
Ich habe inzwischen seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern und es hat sich lange Zeit irgendwie falsch angefühlt – ich habe mich schuldig gefühlt, weil irgendetwas in mir denkt ich müsste meinen Eltern auf ewig dankbar zu Diensten stehen, weil ich ihnen ja meine Existenz verdanke.

Das hat sich geändert nachdem durch Therapie und einen Todesfall in der Verwandtschaft immer mehr Fakten und Details ans Licht gekommen sind, die mich verstehen lassen warum ich so fühle, wie ich fühle, und dass das keine Einbildung oder Übertreibung von mir ist.
Es ist hart mit der Realität konfrontiert zu werden, aber es macht irgendwie auch frei von Schuldgefühlen und der Hoffnung, dass irgendwann alles gut wird.

Ich glaube ein kleiner Rest Zweifel wird wohl immer bleiben und es wird immer eine Sehnsucht nach Eltern geben, die mich endlich sehen und gut behandeln, aber damit kann ich jetzt sehr gut leben.
Ich nutze meine Kraft jetzt für mich und muss sie nicht mehr komplett an andere abgeben.

Ich hatte immer das Glück im Leben, dass es Menschen gab, die mich gut behandelt haben und ich darf mich jetzt diesen Menschen zuwenden und entscheiden wen ich in mein Leben lasse.

2 Comments

  1. hej, liebe sarah!

    das hast du gut gemacht!
    ich habe zwei schwestern, mittlerweile haben wir alle drei keinen kontakt mehr zu unseren eltern.

    ich habe den kontakt schon mit ende 20 beendet, auch aus notwehr.
    zwischendurch hatte ich ihn nach ca. 10 jahren wieder aufgenommen, weil meine schwestern mich dazu verdonnerten.
    nach knapp zwei jahren war ich dann aber in ungnade gefallen, weil ich unerwünschtes verhalten an den tag gelegt hatte und meine eltern haben von sich aus den kontakt erneut abgebrochen.
    ich war so erleichtert! denn solange der kontakt bestand, hatte ich mich sofort wieder einfach nur unwohl gefühlt.

    nach und nach beendeten unsere eltern den kontakt auch zu meinen beiden schwestern, zuletzt den zur ältesten schwester, die mit über fünfzig immer noch an magersucht leidet und psychisch sehr beeinträchtigt ist.
    sie war immer diejenige, die die aufgabe zu erfüllen hatte, die beziehung zwischen den eltern und uns aufrechtzuerhalten und trotz aller erdenklicher schwierigkeiten immer wieder zu kitten.

    es war sehr deutlich zu erkennen, daß sie nicht so krank geworden wäre, hätte sie den kontakt eher abbrechen können.
    nun haben die eltern das für sie übernommen und sie wirkt sehr erleichtert darüber.
    ich bin sicher, es wird ihr in der nächsten zeit langsam besser gehen.

    ja, solche geschichten werden immer sehr einseitig dargestellt.
    auch schon früher in der schule wurde mir ins gesicht gesagt, was ich da so schlimmes von eskalationen und theater zu hause erzählt habe (dabei war das nur die geschichte für die öffentlichkeit), könne so gar nicht stimmen, das sei nur ein versuch, mich wichtig zu machen und sicher völlig übertrieben.

    das ist genau dieselbe denkweise, die unterstellt, elternschaft sei immer mit bedingungsloser liebe zu den kindern verbunden und alles funktioniere ganz natürlich und in jedem fall.
    du berichtetest darüber ja schon sehr treffend im letzten beitrag…

    komisch, daß dabei dann kinder herauskommen, die so ganz andere dinge erzählen!
    wenn du so harmonisch aufgewachsen wärst, würdest du doch dann wohl auch nicht über deine liebenden eltern lügengeschichten erzählen oder ein aufmerksamkeitsdefizit zu beklagen haben, das du mit erstunkenen stories zu füllen versuchst.

    ich hasse meine eltern übrigens nicht.
    ich habe nur beschlossen, daß ich mit mir so gut umzugehen beabsichtige, daß ich mich nicht mehr unnötig verletzen oder manipulieren lassen möchte.
    für ein solches verhalten habe ich keine energie übrig.

    sehr schade, daß solche darstellungen in sonst sicher ordentlich recherchierten dokumentationen ständig an diesen mythen festkleben!
    aber die sender dürfen ihre kundschaft ja nicht vergraulen.
    die meisten menschen würden sich vor den kopf gestoßen fühlen, oder ihre schöne heile welt würde zusammenbrechen, wenn man die andere seite der medaille auch berücksichtigen würde.

    darum ist es so gut, wenn menschen wie du davon erzählen!
    vielen dank!

    1. Hallo biene,

      vielen Dank für deine Erfahrungen mit diesem schwierigen Thema.
      Da haben wir ja zum Teil sehr ähnliche Erfahrungen gemacht – ich hoffe, dass es deiner Schwester auch wieder besser gehen wird.

      Ein Satz von dir hat mich sehr angesprochen, du hast geschrieben, dass du deine Eltern nicht hasst und das ist bei mir genauso.
      Ich weiß, dass meine Eltern selber aus einer Not heraus so gehandelt haben, aber ich darf mich trotzdem von ihnen distanzieren und bin nicht verantwortlich sie zu „heilen“.
      Ich darf auch wütend auf sie sein – sie haben mir so ziemlich alles vorenthalten, was man als Kind braucht (Sicherheit, Liebe, Unversehrtheit etc.).
      Aber ich beschäftige mich nicht mehr so viel mit ihnen, ich baue mir eine eigene Zukunft auf.
      Aber das ist was sehr individuelles – für mich passt es so, anderen hilft es zu hassen oder zu verzeihen oder was auch immer….was sich halt innerlich richtig anfühlt.

      Liebe Grüße
      Sarah

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