Wie, du willst keine Kinder???

Als ich ungefähr 20 Jahre alt war, wusste ich bereits, dass ich keine eigenen Kinder haben möchte.
Mir wurde gesagt „Ach, das kannst du noch gar nicht entscheiden – warte ab, der Kinderwunsch kommt“.
Ich muss sagen, ich fand es manchmal schon cool, wenn Leute an der Uni mit ihrem Baby in der Vorlesung saßen und ich mag die Fantasie von der glücklichen Hippie-Familie, die mit den Kindern erstmal eine Weltreise im Hausboot macht – aber da ist halt leider noch die Realität und die sah dann bei den Studenten-Eltern doch nicht immer so rosig aus.

Irgendwann habe ich meinen ersten Langzeit-Partner kennengelernt und seine Mutter lies keine Gelegenheit aus uns kundzutun wie seeehr sie sich darauf freut bald Oma zu werden.
Ich war Ende 20 und hatte nicht die Spur von einem Kinderwunsch – mein Partner übrigens auch nicht, er war noch dabei seiner Familie irgendwie zu verheimlichen, dass er zwangsexmatrikuliert wurde und wohl nicht die familär erhoffte Karriere machen würde.

Wir haben uns letztlich getrennt, weil wir irgendwie doch zu unterschiedliche Lebensvorstellungen hatten.
Ich war Anfang 30 und ich merkte wie die kritischen Stimmen von außen aufgeregter wurden….jetzt nur schnell wieder einen neuen Mann kennenlernen, damit die innere Uhr nicht zu laut zu ticken anfängt.
Meine Freundinnen wurden schwanger und erklärten mir, dass man darüber am besten gar nicht nachdenken sollte – einfach machen.
Joa, ist bestimmt gut, wenn eine Frau ohne Kinderwunsch einfach mal so zum Spaß Kinder kriegt – angeblich liebt man seine Kinder ja dann schon automatisch……also meistens….und wenn nicht, naja dann gibt es halt später eine Therapie fürs Kind.

Irgendwann war ich wieder bereit für eine Beziehung und habe Männer gedatet – ich bin offen damit umgegangen, dass ich keine Kinder möchte.
Mir schlug teilweise richtiger Hass entgegen. Die Feststellung, dass ich ohne Kinder gebären zu wollen keine richtige Frau bin, war dabei noch das Netteste.
Und wieder die Feststellung, dass ich das doch gar nicht wissen kann und ich nur den richtigen Mann finden müsse und mich dann ganz natürlich in meine Rolle als Frau und Mutter einfinden würde.
Danke, dass ihr mir meine Gefühle erklärt – ich bin ja nur eine hormongesteuerte Frau, die sonst den Sinn des Lebens verfehlt.

Spätestens ab Mitte 30 wird es dann noch schwieriger sich von all den „gutgemeinten“ Rat-Schlägen abzugrenzen.
Ja, ich bin mir sicher, dass Kinder haben das Schönste auf der Welt sein kann und natürlich steckt es in unseren Genen, dass wir quasi nur auf der Welt sind, um uns fortzupflanzen – ich habe trotzdem nicht den Wunsch nach eigenen Kindern und ja, ich gehe das Risiko ein, dass ich es später bereue (glaub ich nicht, aber wer weiß).

Inzwischen bin ich froh, dass ich mich all die Jahre dagegen gewehrt habe, nur aus gesellschaftlichem Druck Kinder zu kriegen, denn ich bin mir ziemlich sicher, dass es großes Potenzial gehabt hätte ähnlich schief zu laufen wie meine eigene Kindheit.
Ich schaffe es durch die Traumafolgestörung kaum mein eigenes Leben auf die Reihe zu kriegen und wäre nicht in der Lage gleichzeitig für Kinder voll da sein zu können.
Damit will ich nicht sagen, dass Menschen mit Traumafolgestörung generell keine Kinder haben sollten – aber ich persönlich schaffe das nicht und möchte das auch nicht.
Aber es ist schwer ständig mit diesem Thema belästigt zu werden.
Fremde Menschen fragen mich und meinen Mann oft wann „es“ denn dann bei uns soweit wäre und oft wird ein einfaches „wir wollen keine Kinder“ nicht akzeptiert.
Menschen bohren rum und glauben sie hätten das Recht sich von außen in so eine persönliche Sache einzumischen.


Ich bin jetzt 40 geworden und habe gewisse Hoffnung, dass die Fragerei spätestens in fünf Jahren aufhört….hoffentlich.


7 Comments

  1. hej, liebe sarah!

    das klingt sehr anstrengend!
    ich wußte schon mit 12, daß ich keine eigenen kinder haben möchte, ich fand damals schon, daß diese welt nicht sicher genug für kinder ist, damit meinte ich damals eher die umweltprobleme und die politische unicherheit.

    kann es ein, daß dein umfeld reichlich konservativ denkt?
    ich arbeite ja viel mit alten menschen (pflege), daher habe ich immer dazugesagt, wenn diese mich nach eigenen kindern gefragt haben, daß wir einfach keine bekommen haben, ohne das so geplant zu haben.
    was teilweise auch nicht verkehrt war, allerdings war ich damit gleichzeitig auch sehr einverstanden.
    damit war die diskussion ganz schnell am ende.

    und ich bin mittlerweile umso froher, keine kinder zu haben, weil ich dieselben befürchtungen bzgl. meiner eignung als mutter habe, wie du und außerdem so ein großes ruhebedürfnis, daß kinder im haushalt mich sehr schnell an den rand des zusammenbruchs gebracht hätten.
    auch ohne kinder schafft es mein alltag zeitweise schon problemlos.

    und dazu kommt ja noch das argument der emanzipation und hormonsteuerung, das du schon erwähnt hast.

    ich glaube, andere leute wollen es einem manchmal auch einfach nicht gönnen, zufrieden anders zu leben, als sie.
    wenn ich höre, welchen streß diese mit ihren kindern alltäglich haben und welche sorgen…

    es gibt soviele eigenschaften, wegen denen man von anderen als nicht richtig beurteilt werden kann.
    das kommt vermutlich dem eigenen gefühl entgegen, daß man sich immer und überall irgendwie falsch fühlt.

    wenn du das für dich benennen und damit verstehen kannst, wo das in dir andockt, wenn du solche sätze hörst, dann kannst du vielleicht besser damit umgehen.
    für sich genommen ist es doch einfach nur ein nerviges verhalten, gegen das du dich einfach abgrenzen solltest.
    nur erstmal können vor lachen!

    und dann wäre da noch der gedanke, daß du anderen einfach zu viel denkfähigkeit zusprichst, wenn dich das bedrückt.
    menschen denken sehr oft so gut wie gar nicht.
    sie halten sich mit nebensächlichkeiten und oberflächlichkeiten auf und tun so, als machten sie sich gedanken.
    ich schaffe es öfter mal, mich darüber zu amüsieren, aber auch nicht immer.

    liebe grüße!

    1. Hallo biene,

      danke für deinen Kommentar und deine Gedanken zu diesem Thema.

      Mein direktes Umfeld ist da zum Glück sehr einfühlsam, es sind eher entfernte Bekannte und meistens fremde Menschen, die da so nachbohren.
      Man wird gefragt, ob man Kinder habe….nein…dann kommt als nächstes die Frage „warum?“, was ich schon sehr persönlich finde.
      Wenn ich dann sage „kein Kinderwunsch“ wird dann versucht mich zu überzeugen, dass das doch Blödsinn ist („Nee, so dürfen Sie da nicht rangehen, wenn die Kinder erstmal da sind, werden Sie verstehen wie wichtig das ist. Einfach machen und nicht so viel nachdenken“).
      Ich empfinde das als übergriffig – ich möchte meinem Gegenüber nicht erklären, dass ich eine schwere Traumafolgestörung habe und nicht garantieren kann, dass ein genervter Anteil irgendwas Blödes macht oder mir eine Sicherung rausspringt.
      Ich komme dann in so einen Rechtfertigungsdruck und weiß gar nicht was ich dann antworten soll auf „Kinder sind das Beste, das einem passieren kann“…..

      Damit das nicht falsch rüber kommt – mir geht es gar nicht darum, ob es gut oder schlecht ist Kinder zu haben, ich denke das ist wirklich extrem individuell und ich kenne viele Menschen, bei denen ich spüren kann wie bereichernd und wunderschön es ist die Kinder aufwachsen zu sehen und diese besonderen Eltern-Kind-Momente zu erleben.
      Wenn ich kein Traume hätte und mein Leben anders verlaufen wäre, hätte ich vielleicht gerne Kinder gehabt.
      Aber es muss doch auch möglich sein sich gegen Kinder zu entscheiden ohne ständig abgewertet oder für unzurechnungsfähig erklärt zu werden.

      Ich mag es einfach nicht, dass in unserer Gesellschaft immer noch so ein komisches Frauenbild kursiert, nach dem Mutterschaft nicht hinterfragt werden darf und jede Mutter nur so strahlt vor Mutterglück und Herzensgüte (Überraschung, ich kenne mindestens eine Mutter, die das nicht getan hat und deren Kinder die Folgen ein Leben lang ausbaden können, weil sie sich keine Hilfe geholt hat).
      Wenn ich sehe welchem sozialen Druck meine Freundinnen mit Kindern ausgesetzt sind („wie, du gibtst deinem Kind xy?? Interessant…“), ist das schon sehr krass und nicht immer leicht auszuhalten.
      Es gibt ja inzwischen die „Regretting Motherhood“-Bewegung, die vielleicht auch wieder etwas krass ist, aber es zumindest möglich macht öffentlich zu sagen, dass Mutter-werden nicht immer automatisch die Erfüllung bedeutet und das ganze vielleicht irgendwann mal diese Idealisierung und den gesellschaftlichen Druck verliert, damit sich Mütter schamfrei Hilfe holen können, wenn eben nicht alles supi ist.

      Umd das nochmal zu erwähnen – ich glaube, dass auch Menschen mit Traumafolgestörung wunderbare Eltern sein können, wenn sie ihr Leben im Griff haben und damit gut zurechtkommen. Davon bin ich aber noch weeeeit entfernt.

      Liebe Grüße
      Sarah

  2. hej!

    das alles ist mir soooo klar!
    ich finde es nur schlimm, daß es so natürlich erscheint, daß wir uns ständig für alles rechtfertigen zu müssen glauben.
    siehst du, du hast das schon im text sehr nachvollziehbar ausgedrückt und sagst es jetzt im kommentar nochmal mit anderen worten.

    und übrigens glaube ich, daß eine mutter oder vater, die/der sich im vorfeld so viele gedanken macht wie du, gar nicht so schlecht wäre, wie all die, die sich diese natürliche vorbestimmtheit vorgaukeln wollen…
    und trotzdem hast du dich dagegen entschieden und du wirst es wahrscheinlich auch nicht bereuen.
    und das ist klasse so.

    du lebst dein leben eben reflektiert und nicht automatisiert durch naturgesetze.

    im moment kommt es mir so vor, daß es ständig um identität geht.
    alles ist ins wanken geraten, viele kommen damit nicht gut zurecht.

    man muß entscheidungen treffen, wo früher alles vorbestimmt war.
    sogar über das eigene empfundene geschlecht.

    nun haben wir ja sowieso eine identitätsstörung.
    anscheinend die gesellschaft aber auch im ganzen.

    ich hatte gestern eine unterhaltung, es ging zum 100 000. mal darum, daß ich zu luftig angezogen bin.
    mit denselben leuten, die mich gar nicht privat kennen.
    sollte lustig sein.

    ich hab auch angefangen, schon wieder zu erklären, daß es ja schön ist, daß die personen frieren, daß mir aber nunmal zu warm ist.

    erst nachher habe ich bemerkt, daß mich sowas streßt.
    und auch wütend macht.

    jeder muß alles beurteilen.
    und hat auch die gefühlte fähigkeit dazu, es einzuschätzen.

    ich habe jetzt, auch aufgrund deines mal wieder sehr treffenden artikels, beschlossen, damit aufzuhören, geduldig und langatmig immer wieder alles erklären zu wollen.

    freundlich lächeln und einfach das thema wechseln oder ganz ignorieren, daß da jmd. einem ein gespräch aufzwingen will oder seinen frust an einem auslassen möchte.

    die lunis haben in ihrem neuen video auch ganz treffend festgestellt, daß man schnell aus rechtfertigungsdruck heraus viel zu viel persönliches preisgibt.

    mach bloß weiter so, daß du deinen eigenen weg gehst!
    vielen dank, liebe sarah!

    1. Guten Morgen biene,

      da triffst du bei mir ins Schwarze – mit dem Gefühl sich immer erklären und rechtfertigen zu müssen und dann viel zu viel von sich preiszugeben.
      Ich arbeite da schon länger mit meiner Therapeutin dran und es gelingt mir schon in vielen Bereichen mich da besser zu schützen – aber das mit der Kinderfrage verunsichert mich jedes mal wieder völlig (vielleicht ist da auch Wut dabei, dass ich gar nicht wirklich die Wahl habe Kinder zu wollen und das halt keiner sieht….ich stehe dann immer gefühlt so da als würde ich Kinder hassen oder irgendwie egoistisch sein).

      Ich denke dieser Rechtfertigungsdruck kommt bei mir daher, dass ich von klein auf gelernt habe, dass Bindung bedeutet sich völlig auszuliefern und zu unterwerfen.
      Irgendwas in mir ist immer noch so bedürftig und sehnt sich so nach Bindung, dass dieser alte Mechanismus immer wieder anspringt (und so schaffe ich es auch ständig stark narzisstisch geprägte Menschen anzuziehen, da die gleich sowas „Offenes“ ausstrahlen und naivere Anteile von mir direkt in die Falle gehen).
      Aber auch da arbeite ich daran und hoffe, dass das vorhandene Wissen vom Kopf irgendwann auch ins System übergeht.

      Ich wünsche dir eine gute Woche, liebe biene 🙂
      LG Sarah

  3. da habt ihr völlig recht!

    und es ist doch auch kein wunder, daß du, sarah, dir nicht im ganzen einig bist, oder?
    und da du auch das ausstrahlst, können andere spezialisten dort einhaken.
    wir können alle nur immer besser werden, bis auf die, die jetzt schon denken, perfekt und allwissend zu sein.

    was denen alles entgeht… die armen ;O) .
    wir machen es uns solange schonmal – trotzdem – so schön wie nur möglich!

    liebe grüße und euch auch eine schöne woche!

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