Zeitmanagement

Heutzutage sind wir ja alle irgendwie Manager – der eine betreibt Gewichtsmanagement (ja mei, er macht halt eine Diät…) oder managed seine Kontakte (also betreibt quasi „Networking“), der andere lässt gleich eine Heerschar von Managern für sich arbeiten (die eine App managed jetzt die Rollläden der linken Wohnungshälfte, die andere erinnert mich stündlich daran, dass ich gerade durstig bin ohne dass ich es weiß – verdursten diese Menschen eigentlich, wenn man ihnen das Handy wegnimmt?).

Ganz beliebt ist auch Zeitmanagement – wenn man den Anbietern diverser mehr oder weniger kostspieliger Seminare glaubt, kann man durch ein paar einfache Kniffe seine Zeit so effizient planen, dass man plötzlich unfassbar viel Freizeit hat.
Man muss nur diese zwei einfachen Tipps befolgen – schwupps, ganz viel Freizeit.
Echt jetzt – ganz einfach…

Ich habe es ausprobiert. Schien wirklich ganz einfach zu sein – statt einfach nur „leer“ von der Bücherei heimzufahren, habe ich auf der Rückfahrt noch den Wocheneinkauf erledigt.
Ich kann mich nicht mehr ganz im Detail daran erinnern, aber wir hatten danach hauptsächlich Eis und Schokolade im Kühlschrank – den Rest des Tages musste ich ausruhen.

Der Fehler schien (wie quasi immer) an mir zu liegen – möglicherweise hatte ich das Konzept noch nicht richtig umgesetzt.
Neuer Versuch – ich fahre in die „große Stadt“ und will eine Freundin besuchen. Zeitmanagement sagt, ich könnte danach dann praktischerweise ja gleich das Angebot der Großstadt nutzen und mir die benötigte Regenjacke kaufen – clever.
Bin heulend im Karstadt in der Umkleidekabine gestrandet.

Inzwischen habe ich kapiert, dass Zeit nicht meine „Währung“ ist – es geht bei mir um Kräftemanagement.
Durch die Traumafolgestörung, meine niedrige Reizschwelle und die ständigen „Diskussionen“ im Inneren mit den Anteilen habe ich einfach nur ein sehr begrenztes Kraft-Kontingent zur Verfügung.
Damit ich diese begrenzte Kraft für Dinge einsetzen kann, die mir gut tun oder nützen, habe ich mir eine Art Kraftmanagement-Plan erstellt.

Ich habe in einem ersten Schritt alle Aktivitäten gesammelt, die ich so für gewöhnlich durchführe bzw. durchführen möchte (ui, war das viel – und wer hat bitte „einen alten Bauernhof renovieren“ auf das Blatt geschrieben??).
Dann habe ich versucht rauszufiltern was ich davon auf jeden Fall machen muss (die Meinungen beim Thema Bad putzen waren etwas….sagen wir divergent).
Die festen Termine habe ich dann in einen abwischbaren Wochenplan eingetragen.

Wochenplan

Ein Großteil meiner Kraft wird wohl leider schon zur Erledigung der festen Termine draufgehen.
Trotzdem habe ich dann noch versucht möglichst viel „Schönes“ so drumrum zu platzieren, das auf jeden Fall genug Zeit zwischen den Aktivitäten bleibt.

Das habe ich tatsächlich gelernt – ich muss unbedingt viel Zeit zwischen zwei Terminen einplanen, sonst geht alles den Bach runter.
Es ist erschreckend wie wenig ich schaffe und ich wünsche mir oft einfach mal den normalen Alltag eines gesunden Menschen durchzuhalten – es funktioniert aber nicht, egal wie sehr ich mich anstrenge.
Ich akzeptiere langsam, dass es so ist – dass ich eine Krankheit habe, die sehr viel Ausruhzeit erfordert (ist aber leider finanziell eher blöd sowas).

Wenn ich gar nicht plane, funktioniert das übrigens nicht so gut – zu viel ungeplante Zeit führt meistens zu einem totalen Chaos im Inneren (und in Folge dessen auch im Äußeren, weil dann erfahrungsgemäß keiner mehr staubsaugt).
Es bleibt ein Balance-Akt alle Verpflichtungen und Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, aber es gelingt mir immer besser (und sei es, weil ich ganz viel aus meinem Leben gestrichen habe).

3 Comments

  1. hej, liebe sarah!

    danke für diesen tollen text!!!
    ich denke, das war auch so gedacht, denn ich habe viel gelacht!
    mit dir, nicht über dich, du bist sehr witzig neben deinem verständlichen bedauern über die dir fehlenden kräfte!
    du bringst es auf den punkt, wie absurd unpassend man sich fühlen kann, wie lebensuntüchtig.

    hier möchte ich unbedingt einspruch erheben!!!
    du hinterfragst dich ja selbst auch schon mit deinem augenzwinkern, ich weiß…
    also:
    der größte fehler ist es, sich mit anderen zu vergleichen, die nicht gleich sind, also mit fast jedem.
    und:
    nichts, aber auch nichts, können wir in diesem leben verpassen, außer uns selbst.
    das ist natürlich nur meine meinung.

    hätte ich die schon frühzeitig gehabt, hätte ich mir eine menge schmerz und kummer erspart, sicher auch eine menge kraft gespart für wesentliches.

    ich glaube auch, daß die allermeisten des reflektierens mächtigen menschen mittlerweile selbst gemerkt haben, daß sie viel lieber weniger effektiv, dafür sinnvoller leben würden.
    die wenigsten trauen sich, daraus konsequenzen zu ziehen, siehe z.b. digitale soziale netzwerke, übrigens furchtbare zeitfresser, in denen man sein muß, um den anschluß nicht zu verpassen.
    und in denen es sehr häufig um außendarstellung anstatt um echtes befinden geht.
    und fast nie um ehrlichen austausch.

    ich glaube, wenn du die dinge findest, die du für dich als wesentlich und passend empfindest, verlierst du nicht mehr nur kraft und fühlst dich bereichert, auch wenn du danach zeit zum ausruhen brauchst oder um wieder zu dir zu kommen und dich zu sortieren.
    und mir ist in letzter zeit klar geworden, daß „erschöpfung“ bei mir eigentlich häufiger etwas ganz anderes ist, nämlich ein dissozieerter zustand, der mir sagt, daß ich mich unbedingt damit befassen sollte, herauszufinden, was mich gerade so streßt.
    vielleicht findest du dich darin auch wieder?

    wichtig finde ich auch, mal zu bedenken, was du so an einem normalen tag leistest, indem du dich in einer für dich eher nicht ganz passenden welt bewegst!
    also mit einem vegetativen nervensystem, daß auf „krieg“ programmiert ist, eine alltagsroutine zu „bestreiten“ und dabei größtenteils mit menschen zu tun zu haben, die in einigen wesentlichen punkten nicht deine sprache sprechen.

    darum mag es oberflächlich danach aussehen, daß du „zu wenig“ schaffst, aber tatsächlich leistest du immer wieder deutlich mehr, als die meisten. sozusagen brutto :O) .
    auch wenn leistung völlig der falsche maßstab ist, kann mich der gedanke oft aufmuntern.

    ich habe auch ein planungssystem für mich entwickelt, schon das schreiben hilft mir, mich zu erden und meinen kopf klar zu bekommen.
    ich nehme dazu einen normalen kalender in buchform mit einer seite für jeden tag und brainstorme darin und natürlich stehen dort auch pflichttermine.
    ich freue mich immer über die häkchen für erledigt und genauso über die ausstreichungen, wenn ich mir zu viel vorgenommen habe und es frühzeitig merke, es ist so, als würde ich mir damit selbst die erlaubnis geben, das zu verschieben und mich auszuruhen, das ist ein schönes gefühl.

    beim planen bemerke ich auch erst viele bedürfnisse und ich denke, daß dies auch oft einer art inneren konferenz entspricht (ich sortiere mich schon sehr lange schreibend, seit 36 jahren).

    es is auch sicher wichtig, nach uralten glaubenssätzen zu suchen, die einem sagen, daß nirgends ein staubkorn herumliegen darf.
    da bekommt man mit der zeit sicher auch die eigenen echten maßstäbe zu fassen.
    bei mir gilt: gemütlich geht vor, irgendwann macht zuviel chaos unruhe, dann muß ich aufräumen, sonst nenne ich es einfach kreatives umfeld.

    liebe grüße und tausend dank für deine tollen anregungen!!!

    1. Hi biene,

      das mit dem Vergleichen ist ein sehr guter Punkt – ich glaube wir werden schon von klein auf darauf „geeicht“ uns ständig mit irgendwem zu vergleichen.
      Besonders die Werbung zielt ja genau darauf ab („Guck mal, was dein Nachbar alles hat – stell dir vor wiiie glücklich du sein könntest, wenn du das auch hast…“) und es scheint als ob es in der Welt nur noch Gewinner und Verlierer gibt – für manche hat Heidi heute leider kein Foto…

      Auch beim Thema Soziale Medien stimme ich dir total zu – ich habe mich 2018 bei FB abgemeldet und das war echt extrem hart, bis jetzt fehlt mir aber gar nichts, es war einfach sinnlose Zeitverschwendung für mich (außer vielleicht ein paar Gruppen, die mir fehlen).
      Man braucht so unglaublich viel Disziplin, um sich nicht auf die ständigen „Vergleichs-Angebote“ einzulassen und aufzuhören ständig etwas optimieren zu wollen.

      Musste beim Lesen deines Textes gerade auch lachen, weil ich aus Versehen „vegetarisches Nervensystem“ gelesen hatte 🙂

      LG Sarah

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